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Bodo Gaßmann                                               23.12.07

Was kann einem Atheisten Weihnachten sagen?

Der rationale Gehalt des Mythos von der Jungfrauengeburt und der Trinität

Mehrmals bin ich bereits gefragt worden, warum ich als Atheist Weihnachten feiere. Die Antwort ist banal: Da ich es seit meiner Kindheit gewohnt bin, da es die Familie will, da die Lohnabhängigen ein historisches Recht auf diesen Feiertag haben usw. Hinter der Frage steckt aber der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens. Die Fragenden wissen meist selbst nicht, warum sie feiern. Außer dem biblischen Märchen von Jesus Geburt kennt kaum jemand mehr die theologischen Hintergründe. Selbst Pfarrer - oder gar die Bischöfin Käsmann, wie sie heute Morgen im Radio offenbart hat - wissen nichts über den rationalen Gehalt ihres Glaubens an Jesus Geburt, vielleicht weil sie es nicht wissen wollen – denn sonst kämen sie in Versuchung, Atheisten zu werden.

 Besteht also ein Widerspruch zwischen dem Denken eines Atheisten und der Tatsache, dass er Weihnachten feiert?

Es wäre eine verlogene Antwort, dieses Fest einfach bürokratisch in „Jahresendfeier“ umzubenennen. Ja, es gibt auch für einen Atheisten Gründe, Weihnachten zu feiern. Das „A“ vor dem „-theisten“ drückt eine Negation aus. Aber als Dialektiker kann ich nicht dem platten Argument von Uta Ranke-Heinemann folgen: Es gäbe keine Jungfrauengeburt, das wäre biologischer Blödsinn. Es ist naturwissenschaftlich betrachtet Blödsinn, obwohl inzwischen die Medizin auch da abhelfen könnte. Aber die Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament ist Literatur, keine Naturwissenschaft, selbst nicht die der Antike. Wer sagt denn heute, dass die Verwandlung des Frosches in den schönen Prinzen naturwissenschaftlicher Blödsinn wäre? Auch den – meist ideologisierenden – Historikern kann ich nicht folgen, wenn sie Jesus Geburt auf das Jahr 4 statt auf das erste Jahr unserer Zeitrechnung legen oder sonst Beweise für die Existenz von Jesus sich aus den Fingern saugen. Die Quellenlage über den historischen Jesus, der keine einzige Zeile hinterlassen hat, ist fatal. (Sie besteht aus Hörensagen, ein Beweis, der heute vor Gericht nicht anerkannt werden würde.)

Die Jesusgeschichte also realistisch zu nehmen, macht es leicht, sie abstrakt zu negieren. Der Dialektiker kann sich vernünftigerweise nur auf eine bestimmte Negation einlassen. Diese negiert das Falsche, um den wahren Gehalt zu bewahren und in das Denken auf einer höheren Stufe zu integrieren. Die abstrakte Negation dagegen fällt hinter das Denken von Abälard im 12. Jahrhundert zurück, sie negiert mit dem Falschen auch die wahren Gehalte, die in diesen religiösen Sagen stecken. Sie macht sich selbst dumm gegenüber realen Erscheinungen und schafft letztlich nur neue Ankerpunkte für den Glauben im Sturm rationaler Kritik. Abstrakte Negation, und dieser Gedanke steckt hinter dem Vorwurf, Atheisten, die Weihnachten feiern, gingen einen Widerspruch zwischen Denken und Handeln ein, ist plumpes Denken, atheistische Propaganda, aber keine radikale Argumentation. (Als ob man sich nicht an einem Theaterstück etwa über den Rattenfänger von Hameln erfreuen kann, ohne gleich an übernatürliche Fähigkeiten dieses Pfeifers zu glauben.)

Zurück zum Anfang

Abälard war einer der ersten nominalistischen Philosophen, er war Logiklehrer und rationaler Theologe, für den bestimmte theologische Aussagen nur noch zu glauben, nicht zu beweisen waren nach dem Motto: credo quia absurdum. Er hat die Widersprüche in der Bibel, ein Sammelsurium von Texten und Autoren, das letztlich durch staatlichen Zwang zum Kanon wurde, in seinem Werk „Sic et Non“ gegeneinander gestellt und gefragt, wie man diese Widersprüche deuten kann. Seine allgemeine Einsicht war: Über den widersprüchlichen Erzählungen und über den sich widersprechenden Argumenten zu den einzelnen Themen muss die göttlich inspirierte Vernunft des Menschen stehen.

Es ist also die Vernunft, die entscheidet, was wahr und falsch ist, nicht die wörtlichen Aussagen der Bibel, die angeblich Gottes Wort wären. Diese Einsicht Abälards gilt auch für die Aussagen, die den Naturwissenschaften widersprechen, wie spätestens Galileo Galilei gezeigt hat.

Auch die Jesusgeschichte muss sich vor dem Richterstuhl der Vernunft bewähren. Nur das ist Hochachtung gegenüber dem Märchen von der Jungfrauengeburt wie gegenüber Märchen und ihrem Erfahrungsgehalt überhaupt, wenn man sie auf ihren rationalen Gehalt prüft. Vielleicht zeigen sich darin ja großartige Gedanken!

Zunächst fällt bei dem Datum 24.12. auf, dass es der zweite Tag ist, an dem die Sonne wieder länger scheint. Die christlichen Römer, die die Germanen missioniert haben, setzten wohl bewusst diesen Tag für Jesus Geburt an, um an die germanischen Sonnenwendfeiern anzuknüpfen (die orthodoxen Christen feiern erst im Januar!). Und tatsächlich war es für die eng mit der Natur lebenden und von der Natur abhängigen Völker lebenswichtig, sich auf die Sonnenwende verlassen zu können. Es nahm ihnen die Angst vor der Natur, wenn die Tage wieder länger wurden und das Frühjahr sich erahnen ließ. Auch wir heute finden das gar nicht so schlecht. Es gibt aber einen tieferen Gehalt der Jesusgeburt.

Jeder Tischler hat, bevor er einen Schrank zimmert, die Idee von diesem Möbelstück im Kopf; wenn er besonders kreativ ist, dann ist diese Idee völlig neu, noch nie da gewesen – eben eine Jungfrauengeburt. Ein Gedanke aus dem Geist materialisiert sich. Der menschliche Geist ist nicht nur spontan, sondern auch kreativ. Ein Ingenieur, der eine neue Brücke konstruiert, hat die Idee von diesem Bauwerk zuerst im Kopf. Woher hat er diese Idee? Er hat sie aus seinem Geist, eine creatio ex nihilo wie die Zeugung Jesus aus dem Geiste Gottes. Die Zeugung benötigt aber konkrete Materie, die weiblich ist (Maria), um sich zu realisieren. Denn Stoffliches entsteht nur aus Stoff. So ist auch der menschliche Geist des Ingenieurs in diesem schöpferischen Moment ein Teil dessen, was die Menschen in der Vorstellung eines Schöpfergottes überhöht haben. Und selbst der Bau dieser Brücke setzt ungeheure Kreativität bei den Arbeitern bis zum letzten Handlanger voraus. Diese Vorstellung hatte einst Mao Zedong zu dem etwas einschränkenden Wort veranlasst: Die Volksmassen Chinas seien der wahre Gott. Richtig wäre es, die Menschheit und ihre Leistungen als Gott zu bezeichnen – allerdings nur insofern sie vom „Heiligen Geist“, d. h. der menschlichen Vernunft, die nicht nur als instrumentelle, sondern immer auch als Zwecke setzende Vernunft (Weisheit) zu denken ist, tingiert sind. (Als bloß instrumentelle entspricht sie in der Mythologie oder dem Märchen dem Bild vom Teufel.) Der Heilige Geist hat aber längst seine religiöse Existenz verlassen und sich selbstbewusst zur rationalen Philosophie gemausert. Deshalb kann er auch die Trinität deuten, was Abälard noch nicht gelang.

Gott ist Mensch geworden – heißt: Das Allgemeine ist konkret geworden, oder um Lenin zitieren, der dies von Hegel hat: Die Wahrheit ist immer konkret. So sagt der Logiker Hegel: Das Allgemeine (Heiliger Geist), das Besondere (Gott Vater) und das Einzelne (Gottes Sohn Jesus), also die christliche Trinität, die zu Weihnachten gefeiert wird, sind nichts anderes als die Verherrlichung des Begriffs des Begriffs, die Verherrlichung des begrifflichen Denkens, desjenigen also, das uns auch nach der Bibel (ich weiß nicht, wo das steht) zu Gottes Ebenbild macht.

Warum soll ein A-Theist, also ein Liebhaber der Vernunft, nicht die märchenhafte Verherrlichung der Vernunft feiern? Dagegen sind die Christen, die im Konsumrausch unnützes Zeug kaufen und längst nicht mehr den Gehalt von Weihnachten kennen, bloß abstrakte Atheisten und – sofern sie das Märchen von Jesus Geburt wörtlich glauben, Dummköpfe, d. h. Menschen mit mangelnder Urteilskraft – jedenfalls in diesem Punkt.

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